Mittwoch, 01. März 2017
Nach der kurzen Stippvisite auf dem Weg nach Sundarban geht es heute nach Aasra Sadan, um die Themen der diesjährigen Fastenaktion gemeinsam zu erarbeiten. Ich freue mich. Das Projekt, die Kinder dort, liegen mir sehr am Herzen, ich kenne auch dort einige schon mehrere Jahre. Die einstündige Fahrt dorthin macht wieder einmal die oft sehr schwierigen Arbeits- und Lebensbedingungen deutlich. Obwohl ich den Weg schon mehrfach gefahren bin, bewegt es mich noch immer. Zuerst sieht man links die große Mülldeponie Kolkatas und ich kenne Kinder und Erwachsene, welche jetzt gerade diese nach verwertbarem, nach verkaufbaren Resten durchsuchen.
Danach ist es abhängig davon, auf welcher Seite man aus dem Fenster schaut. Links fließt ein Fluss neben der Straße und dahinter dehnen sich Gemüse- und Getreidefelder aus.
Rechts sieht man die großen Lederfabriken und es dauert nicht lange, da riecht man sie auch. Berge von giftigen Abfällen der Lederproduktion türmen sich auf, brennen zum Teil und stoßen giftige Wolken aus. Dazwischen liegen 20 m. Und aus den giftigen Schwaden kristallisiert sich das ein oder andere Dorf heraus. Ich denke ein paar Monate weiter. Monsun. Und die Wassermassen, die dann die giftigen Rest in den Fluss und auf die Felder spülen … Ich finde den Gestank schon bei der nur Minuten dauernden Vorbeifahrt unerträglich. Dort aufwachsen, wohnen, arbeiten?
Nach 1 h bin ich da. In Moulimukundo, Parganas. Willkommen sein. Die 22 Jungs rennen mich um. Eine kleine Oase. Mit Garten und großem Gelände. Bananen, Tomaten, Gewürze, Blumen … Nachdem ich mich einigermaßen befreien konnte, starten wir mit Chai und Lunch und ich habe unterwegs mit meinem Fahrer Aslam (den ich nun auch schon seit Jahren kenne) Süßigkeiten zum Nachtisch gekauft („bengal sweets“).
Danach sitzen wir auch hier zusammen, schauen Bilder vom Vorjahr mit Laptop und Beamer an und auch die Kinder hier können 50 zum Ausdrucken raussuchen. Meinen Fotoapparat bin ich natürlich wieder schnell los und die Jungs klicken ununterbrochen und präsentieren so u.a. ganz stolz ihren Garten und die Früchte ihrer Arbeit.
Nach und nach trudeln auch Kinder aus dem Dorf ein und wir können beginnen. Gemeinsam erarbeiten wir das Thema „Ich bin, weil du bist“. Wir beschäftigen uns mit Unterschieden, Diversity, Gemeinsamkeit und Einheit.
Wir erarbeiten die Hintergründe des diesjährigen Hungertuches und wir fühlen ganz praktisch, was verbunden-sein heißt, wie es sich anfühlt, was es bewirkt.
Es macht einfach Spaß, mit diesen Kindern an solchen Themen zu erarbeiten. Sie sind interessiert, machen mit, haben Ideen und Freude dabei. Wir denken über unsere Verantwortung für den anderen und die Umwelt nach, erinnern dabei noch einmal an den Besuch in Sundarban. Wir machen uns Gedanken über die Kleinigkeiten, die jeder Einzelne heute und morgen verändern kann, über unsere Ideen und Träume für die Zukunft. Und dann entstehen Blumen mit diesen Ideen, Wünschen und Träumen – eine Blumenwiese. „Die Welt ist voller Ideen – lass sie wachsen“.
Und zum Schluss leuchten wir gemeinsam mit Wunderkerzen als Licht für die Welt.
Und dann ist es auch schon wieder Zeit, Abschied zu nehmen. Ein schöner Nachmittag geht zu Ende. Und ich verspreche, noch einmal wieder zu kommen, wenn ich aus Rajasthan zurück bin und plane eine Übernachtung vor Ort, um mehr Zeit zu haben. Mal sehen, ob es klappt.
Und Haider weint. Noch nie habe ich diesen starken Jungen weinen sehen. Überhaupt: Mir sind immer wieder Kinder in schwierigsten Lebenssituationen begegnet, doch die Anzahl weinender Kinder kann ich an einer Hand abzählen. Ich kenne Haider schon eine ganze Weile und auch seinen Hintergrund ein wenig. Er war auch mit in Sundarban. Und so nimmt mich seine Reaktio日本藤素
n sehr mit und ich frage mich, ob ich vielleicht zu nah an den Kindern mit. Richte ich vielleicht mehr Schaden an, als ich nütze? Ich bin verunsichert. Ich werde es u.a. mit Soyal, einem der Betreuer besprechen und ich muss mit Haider beim nächsten Mal ins Gespräch kommen. Das Thema beschäftigt mich während der Rückfahrt und auch noch den restlichen Abend, welchen ich in meinem Hotel verbringe.