Donnerstag, 23. Februar 2017
04:30 Uhr … Ich mache mich auf, es ist nicht sehr kalt, alle Verkehrsmittel sind übersichtlich gefüllt und so geht es relativ entspannt nach Tegel.
Interessant ist sicherlich wieder mal mein Gepäck. Die 23kg check-in-Gepäck und die 8 kg Handgepäck sind ausgeschöpft und trotzdem bleiben einerseits Unsicherheiten (wie immer) und der private Inhalt hält sich sehr in Grenzen 😉 … dürfte so bei 2 kg liegen. Alles andere sind Mitbringsel für die einzelnen Projekte bzw. Materialien für die durchzuführende MISEREOR-Fastenaktion. Die größten Bauchschmerzen bereiten die beiden zusätzlichen Laptops von Matthias für Tiljala Shed … also damit 3. So habe ich also neben dem Handgepäck 2 Laptoptaschen und die Kameratasche. Schwere Gegenstände, wie Wörterbuch u.ä. fein säuberlich in der Jacke verstaut 😉 und ein Briefchen von Matthias und Shafkat dabei, damit die Behörden Gnade walten lassen.
Aber ich habe Glück. Die Maschine nach Zürich ist ebenso leer, wie die von dort nach Mumbai. So komme ich gut rein und während des langen Flugs habe ich sogar 2 Plätze und döse tatsächlich etwas weg. 22:00 Uhr (19:30 Uhr deutscher Zeit) bin ich dann in Mumbai und muss komplett aus- und wieder einchecken, da nach Kolkata ein domestic fly ist. Aber ich habe ja 4 h Zeit und dieser komplette Check-out bedeutet auch, dass ich den Flughafen verlassen und mir ein wenig die Beine vertreten kann. So vergeht die Zeit relativ zügig und entspannt. 02:50 Uhr geht es dann mit etwas Verspätung in einer recht gut ausgelasteten Maschine – aber wiederum ohne Problem – weiter nach Kolkata. Um 05:00 (0:30 Uhr deutscher Zeit) bin ich dann endlich auch am Zielort und das Auschecken geht relativ schnell, da die Zollkontrolle und Immigration schon in Mumbai stattfand.
Freitag, 24. Februar 2017
05:10 Uhr. Kolkata International Airport. Ich bin wieder hier. In meinem Revier? War nie wirklich weg, hab mich nur versteckt… Ich habe Zeit, denn ich habe den Fahrer – ein Freund von Ranadip – erst zu 6:00 Uhr bestellt, da ich ein längeres auschecken erwartete. Es sind vielleicht 25°C und ich genieße das Zurücksein. Und einen Chai. 06.30 Uhr werde ich dann abgeholt und es geht ins Hotel „Insha“ Park Circus. Ranadip will mich um 12:00 Uhr abholen, damit ich eine Prepaidkarte und Klamotten kaufen kann. Das Hotel ist ok und ich mache ein paar Häufchen der einzelnen Projekte … mein privates ist recht übersichtlich ;-). Aber der Tauchsieder wird gestartet und ein Kaffee ist erst einmal dran. Leider kein WLAN. Es ist inzwischen 8.00 Uhr und ich latsche mal犀利士
in meine „alte Gegend“ um zu sehen, wen ich so treffe, wie lange ich brauche, Geld beschaffen, frühstücken. Ich finde mich gut zurecht, habe meinen Stadtplan und schicke Shafkat mal ne SMS „Ich stehe vor deinem Haus“ ;-). Alamgir begegnet mir, zeigt mir „meine Wohnung“ under construction (daraus sollen wohl „Übungswohnungen“ für Mädchen werden), Shafkat kommt runter und begrüßt mich herzlich und überrascht. Ein paar Leute aus der Umgebung erkennen mich wieder und begrüßen mich ebenso herzlich. Ich bin wieder hier …
Dann das 1. Problem: ATM. Ich hole Geld und bekomme doch tatsächlich nur 2000-Rp-Scheine. (das ist wohl ein aktuelles Problem, seit dem der Primeminister im Novemeber alle 500 und 1000 Rp Scheine über Nacht ungültig machte) und mein mitgebrachtes Geld ist ja ungültig geworden … Wasser, Chapati und Banane macht zusammen ungefähr 60 Rp … das kann keiner – und schon gar nicht am frühen Morgen – wechseln. Wie unterschiedlich Probleme sein können. Ich laufe ca. 40 min von Shop zu Shop, dann ist es endlich gewechselt und ich kann frühstücken. Zurück im Hotel (auf dem Weg habe ich mich mal schnell orientiert, wo das Tiljala Shed Office ist) relativiert sich Ranadips 12:00 Uhr. Natürlich. Du bist in Indien, Andreas! Also mache ich mich auf in die Quest Mall – ein Shoppingcenter, in welchem es allerdings auch einen „Allerweltsladen“ gibt – und kaufe mir Überlebensgegenstände (Duschbad, Zahnpasta, Zahnbürste usw.) sowie Butter, Nutella, Milch und Kakao für meine Aktion im open shelter. Ach so, und Ketchup. Kinder wollen Ketchup. Ranadip kommt dann um 15:00 Uhr, wir kaufen eine Prepaidkarte und vertagen den Klamottenkauf auf morgen, da es mir zu spät wird und die Kinder warten. Ich soll es noch bereuen 😉
Inzwischen teilt mir Shafkat mit, dass wir uns mit Jane im Tollygunge-Club auf ein Bier treffen werden und 2 Volontäre aus Australien sind auch dabei.
Ich dagegen habe alles zusammen, was ich für die 1. Begegnung mit den Kindern benötige und mache mich auf. Ranadip ist interessiert (zumal er ja Sonntag einige der Kinder fahren wird) und so gehen wir gemeinsam. Wir fahren bis an den Rand des Slums und ich zeige ihm den Weg ;-). Keine 50 m, ein Junge erkennt mich, begrüßt mich kurz und rennt dann los, um mich anzukündigen. Im open shelter das Übliche: herzliche Begrüßung, Umarmungen bzw. ran hängen. Große Freude. Einige erkenne ich wieder, kenne den Namen. Sie kennen mich fast alle. Ich muss an meinem Erinnerungsvermögen arbeiten.
Dann die geplante Aktion. Die Kinder fragten mich immer, was ich in Deutschland zum Frühstück und zu Abend esse.
Ich habe beschlossen, nicht mehr zu erklären, sondern mit allen Sinnen erfassen zu lassen und packe aus: die gekauften Dinge aus der Quest Mall und aus meinem Rucksack Pommersches Landbrot, Käseaufschnitt, Geflügel-Salami (Messer habe ich mal sicherheitshalber in der Quest Mall auch gekauft. War auch gut so!). Kurze praktische Einführung in die Herstellung eines deutschen Abendbrotes (oder Frühstücks), der möglichen Kombinationen, meine Tradition und dann ziehe ich mich aus der Mitte zurück. Es wird los geschnitten, geschmiert, belegt und probiert. Kommt total gut an. Auch die teacher (eigentlich Betreuer, Erzieher) müssen probieren. Einige Kinder kombinieren sicherheitshalber alles: Brot, Butter, Salami, Käse und Nutella … (macht einer auch noch Ketchup drauf?). Eine gelungene Begrüßungsaktion. Leider nicht in Aasra Sadan möglich. Hätte den Kids dort sicherlich auch Spaß gemacht, aber ohne Kühlung wäre ein weiteres Aufheben unverantwortlich. Und schwupp, ist die Zeit schon rum. Enter the shelter is easy, leave the shelter very difficult …. Und so benötige ich wieder einige Zeit, um rauszukommen. Ranadip ist von den Kids ebenfalls sehr angetan und macht x selfies. Dann auf ins Hotel, ich mach mich ein wenig frisch und wechsle innerhalb der vorhandenen 3 Shirts ;-).
Dann sammeln wir Shafkat ein und Ranadip fährt uns zu Jane. Zum Tollygunge-Club. (http://www.tollygungeclub.org ) Unterwegs berichtet mir Shafkat zunehmend begeistert von Jane (sie zeigt sich für das fundraising für Tiljala Shed verantwortlich), dass sie immer im TollyClub „absteigt“ und mir wird einerseits zunehmend deutlich, dass sie und der Club zu den „oberen Zehntausend“ gehören. Und so fühle ich mich zunehmend unwohler und mit Shafkats steigender Begeisterung sinkt die meine. Ich frage sicherheitshalber noch nach meiner – mir doch sehr unangemessen erscheinende – Kleidung. Shafkat meint: „Kein Problem, du bist weiß“. Na toll! Das Bier dort werde ich gar nicht bezahlen können, da muss ich ja erst nochmal zum ATM. Aber dazu soll es dann doch nicht kommen. Ranadip parkt den Wagen ein, ich will auf ihn warten, soll aber gleich mit Shafkat mit … Ranadip wird schon kommen. Jane begrüßt mich herzlich im „Biergarten“, stellt mir Andras und??? vor und ja, natürlich möchte ich ein Bier! Das Bier kommt noch nicht (ist ja erst eine Minute rum), aber ein Kellner: „Sorry Sir, in dieser Kleidung dürfen Sie hier nicht sein“. Jane will noch eine Diskussion anfangen und bietet mir noch an, etwas zu besorgen. Nein danke, Diskussionen will ich nicht und verabschiede mich prompt, erwarte außerhalb des Gartens Ranadip und teile ihm mit, dass ich bzw. wir gehen müssen. Peinlich? Nur ein wenig. Ich mag solche Plätze sowieso nicht, hätte mich wohl nicht wohlgefühlt, spare eine Menge Geld. Nur schade um die Zeit (40 min hin, 40 min zurück) und ich denke, auch für Ranadip eine blöde Situation. Egal. Wir machen das Beste daraus. Was in diesem Falle heißt: Darüber lachen, sich freuen, wie willkommen ich im open shelter war, im Wine-Shop ein Bier für mein Zimmer und eine Flasche Whisky für uns beide kaufen, welche wir dann im Auto (nicht aus-) trinken. Ganz kalt lässt es mich natürlich nicht. Habe lange nicht mehr erlebt, nicht willkommen zu sein. Wie oft geht es den Menschen so, welchen ich hier tagtäglich begegne??? Wie anders ist doch für mich im Slum. Ich bin immer willkommen ;-). Ich schreibe Shafkat noch eine Nachricht für Jane, dass wir unser verabredetes Bier vielleicht an einem anderen Tag und einem anderen Platz trinken. Zurück ins Hotel, duschen und ab ins Bett. 27°C im Zimmer. Fan (Ventilator) und AC (Klimaanlage) mag ich nicht, also aushalten.